Wissen vermitteln

18. Juli 2025

Um unsere Projekte möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, geben wir das für die Durchführung benötigte Know-how und Material an Kooperationspartner weiter. Haben diese einen guten Zugang zu entsprechenden Zielgruppen und ausreichend personelle Reserven, steigt die Reichweite der Kooperationsprojekte oft erheblich. 

Ein gutes Beispiel ist das Projekt zur Sprachförderung Interaktives Bilderbuchkino (BiBuKi) und die Kooperation mit den Stadtteilmüttern Neukölln. Beim Interaktiven Bilderbuchkino erfindet eine Gruppe Kinder anhand an die Wand projizierter Bilder aus einem Bilderbuch gemeinsam eine Geschichte. Erzählt wird auf Deutsch, das Kinder aus anderen Ländern in der Regel erst noch lernen müssen, das aber auch viele deutsche Kinder nicht gut beherrschen.

Neuköllner Stadtteilmütter

Die „Stadtteilmütter Neukölln“ sind rund 90 Mütter von Familien mit Einwanderungsgeschichte. Um Stadtteilmutter zu werden, nehmen die Frauen im Rahmen einer Beschäftigungsmaßnahme des Jobcenters an einer sechsmonatigen Qualifizierung teil, die ihnen das Basiswissen zu Themen rund um Erziehung, Gesundheit und Bildung von Kindern im Alter zwischen 0 und 12 Jahren vermittelt. Einen Schwerpunkt bildet die Sprachförderung. In 18 verschiedenen Sprachen und mithilfe ihrer guten Vernetzung mit relevanten Akteuren in Neukölln geben die Stadtteilmütter dann ihr Wissen an Familien weiter, vermitteln bzw. begleiten diese zu Fachberatungsstellen, zu Kitas und zu diversen Angeboten für Familien im Kiez. Damit werden viele der kinderreichen Neuköllner Familien mit Migrationshintergrund und Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache erreicht, die sonst aufgrund verschiedener Barrieren keinen Zugang zu diesen Angeboten hätten. Da die Stadtteilmütter eine Vorbildfunktion haben, werden immer neue Mütter inspiriert, sich ebenfalls für die Qualifizierung zur Stadtteilmutter zu entscheiden und kommen schließlich wie sie in Arbeit. Auf diese Weise erreicht das Projekt immer mehr Familien, wovon am Ende alle Beteiligten profitieren – vor allem aber die Kinder.

Schritt für Schritt

Vor rund 15 Jahren gewann die Bürgerstiftung Berlin die Stadtteilmütter Neukölln für die Idee, zur Förderung der deutschen Sprache das Projekt Interaktives Bilderbuchkino in ihren Kiezen aufzuführen. Um das praktische Durchführen des Bilderbuchkinos zu erlernen sowie die speziellen Fragetechniken, die nötig sind, um den kreativen Prozess der Kinder auf Deutsch zu moderieren, braucht es eine Weiterbildung. Da den Stadtteilmüttern Neukölln die Mittel fehlen, um diese zu finanzieren, bilden wir die Bürgerstiftung Berlin die Frauen auf eigene Kosten aus. „Nach und nach bekommen alle Stadtteilmütter eine Ausbildung von mir“, erklärt Mathias Neumann von der Bürgerstiftung Berlin, der das Bilderbuchkino zu einem interaktiven Sprachförderprojekt entwickelt und für die Moderation ganz spezielle Fragetechniken geschaffen hat. 

Da bisher nur einige Stadtteilmütter und auch erst seit 2020 durch das Berliner Landesprogramm in Anstellungen auf dem 1. Arbeitsmarkt übernommen werden, viele Stellen aber nach wie vor über eine Beschäftigungsmaßnahme des Jobcenters entstehen, die nach fünf Jahren endet, verlassen immer wieder welche die Organisation und neue kommen hinzu. Dadurch schwanke zwangsläufig die Zahl der Frauen, die aktiv aufführen können. Wie viele es aktuell genau sind, kann Anna Stockmar sagen, die im Fachbereich Soziales & Migration des Diakoniewerk Simeon die Stadtteilmütter Neukölln koordiniert. „Derzeit sind es 72 Stadtteilmütter, die an einer Schulung zur Durchführung des Bilderbuchkinos teilgenommen haben“, erklärt sie. Mittlerweile werde es regelmäßig an fünf verschiedenen Orten durchgeführt. In Sachen Bilderbuchkino arbeitet Anna Stockmar Hand in Hand mit Mathias Neumann, unter anderem bei der Suche nach passenden Aufführungsorten. Bei der zur jeweiligen Gruppe passenden Auswahl der Bilderbuchtitel berät Neumann die Stadtteilmütter dann persönlich. „Damit das Ganze funktioniert, muss die Geschichte zur Gruppe passen, und um das treffend zuzuordnen, braucht es einfach die Erfahrung der Jahre“, erklärt er. Aus seinem bewährten Fundus, der mittlerweile über 200 Titel umfasst, empfiehlt er dann mehrere Titel, die finale Wahl trifft die aufführende Stadtteilmutter selbst.

Sprache lernen in motivierendem Austausch 

Wie gut bei den Aufführungen die Stimmung ist, wenn mal wieder alles stimmt, weiß Anna Stockmar. Sie hat schon so mache Aufführung mitbekommen und immer wieder begeisternde Szenen erlebt. „In den Kitas, wo es jede Woche eine Aufführung gibt, sind die Kinder immer schon ganz heiß darauf, dabei sein zu dürfen“, schildert sie. Und wenn im Familienzentrum wie nicht selten mal wieder zehn Familien auf einmal zu einer Aufführung kommen, sei richtig was los. Die Eltern würden oft staunen, wie ihre Kleinen aufblühen und mitmachen, wie lebhaft und fantasievoll selbst stille Kinder plötzlich sind, neugierig fragen ­und in sagenhaftem Tempo die Sprache lernen. „So gut, dass sie nicht selten vor Zuhörern ihre Eltern korrigieren“, schmunzelt sie. Und genau darin sieht sie auch den großen Wert, den das Interaktive Bilderbuchkino gerade in der Welt der Familien mit Migrationshintergrund hat: Nicht nur die Kinder profitieren von der Sprachförderung, sondern auch die Geschwister, die Eltern und die Großeltern. „Und nicht zuletzt natürlich die Stadtteilmütter selbst.“

 Die Kooperation mit den Stadtteilmüttern Neukölln ist ein besonderer Glücksfall, weil die es schaffen, ganze Familien für das Bilderbuchkino zu begeistern, während die Bürgerstiftung Berlin vorwiegend in Schulen aktiv ist. Aber auch die Zusammenarbeit mit Weiterbildungszentren, mit Universitäten und Schulen oder Initiativen wie den „Omas gegen Rechts“ ist ein großer Gewinn. „Kooperationen sind für die Bürgerstiftung Berlin der Schlüssel zu nachhaltiger Wirkung, denn von den Synergieeffekten profitieren letztlich alle“, betont Alexandra Spring, stellvertretende Geschäftsführerin der Bürgerstiftung Berlin.

 Damit es immer „stimmig“ ist, passt Mathias Neumann beim Bilderbuchkino die Ausbildung dem jeweiligen Kooperationspartner an, empfiehlt der Zielgruppe entsprechend Bücher aus seiner umfangreichen Sammlung und erklärt Fragetechniken, die sich bewährt haben. „Mit bestimmten Fragen bringt man die Kinder dazu mitzumachen, und das ist entscheidend“, weiß er aus langjähriger Erfahrung. Wer eine Sprache lebendig und im motivierenden Austausch mit anderen lernt, lerne sie wesentlich schneller und tiefer, als wenn er sie spröde pauken muss.

Noch Fragen oder Lust bekommen mitzumachen? Dann schnell melden bei Mathias Neumann!

 

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